Im Oberbayerischen Alpenvorland spielen Streuobstwiesen im Umgriff bäuerlicher Anwesen eine wichtige Rolle für das Erscheinungsbild der Kulturlandschaft. Vor allem an den freistehenden Höfen stellen die meist süd- oder ostseitig angelegten Obstwiesen prägende Elemente dar.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war der Obstbau für die Selbstversorgung der Bevölkerung von großer Bedeutung. Die Früchte dienten nicht nur als Tafelobst, sondern wurden auch für vielfältige Zwecke wie z. B. die Herstellung von Saft, Most, Brand oder Dörrobst verwendet. Entsprechend goß ist die Zahl an Sorten, die ausgelesen und von den Landwirten selbst kultiviert und vermehrt wurden.
Seit den 1950er Jahren setzte sich nach und nach der Plantagenanbau mit einer Beschränkung auf einige wenige Obstsorten durch. Obst kann heute ganzjährig in jedem Supermarkt gekauft werden; der eigene Obstanbau ist somit keine Notwendigkeit mehr.
Obstbäume werden heute von manchem Landwirt mehr als Bewirtschaftungshindernis denn als Bereicherung des Speiseplans verstanden. Aus diesem Grund sind bereits viele Streuobstbestände verschwunden oder auf kleine, teils lückige und ungepflegte Restbestände reduziert.
Dabei sind Streuobstwiesen mit höhlen- und totholzreichen Altbäumen Lebensraum für über 5000 Tier- und Pflanzenarten und zählen somit zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas.
Mit dem Verlust der Streuobstwiesen und der Aufgabe der sorgsamen Pflege gehen jedoch auch die vielen alten regionalen Obstsorten und das Wissen darum verloren. Neupflanzungen orientieren sich in den Regel an den handelsüblichen Sorten, wobei sofortige Genussreife, universelle Verwertbarkeit und sichere Erträge bei der Sortenwahl im Vordergrund stehen. Viele der alten Streuobstsorten sind nurmehr in Spezialbaumschulen erhältlich.
Zahlreiche alte Streuobstsorten können heute keiner bekannten Sorte mehr zugeordnet werden. Sie gelten als unbekannt und fristen bisweilen ein einsames Dasein in einer verwilderten Obstwiese. Häufig stark vergreist ist es eine Frage der Zeit, bis manch eine Sorte mit dem letzten Baum unwiederbringlich verlorengeht.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wurde in den Jahren 2012 bis 2015 die historische Sortenliteratur ausgewertet und dabei für Bayern das ehemalige Vorkommen von fast 2.300 Apfelsorten und rd. 1.600 Birnensorten festgestellt. Ein enormes genetisches Potential! In diesem Potential "schlummern" diverse Eigenschaften, die für die künftige Züchtungsarbeit von großem Wert sein können, wie etwa die Widerstandsfähigkeit gegenüber neuartigen Schaderregern oder veränderten Klimabedingungen. Dieses Potential ist derzeit weitgehend ungenutzt, denn moderne Sortenzüchtungen gehen zumeist nur auf einige wenige Elternsorten (z. B. beim Apfel nur 6 Elternsorten) zurück.
Im Rahmen des "Biodiversitätsprogrammes 2030 NaturVielfaltBayern" wurde der Erhalt einer möglichst hohen genetischen Vielfalt im Bereich der Kulturpflanzen und eine nachhaltige Sicherung der in Bayern heimischen Kulturpflanzensorten festgeschrieben. Darüber hinaus soll die Verknüpfung von Landnutzung und Agro-Biodiversität sowie Strategien zu deren Vermarktungsfähigkeit zunehmend ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Das heißt, auch der Bayerischen Staatsregierung liegt der Erhalt der Streuobstwiesen und ihres Sortenreichtums am Herzen.
Apfel-Birne-Berge ist ein Projekt zur Umsetzung der Bayerischen Biodiversitätsstrategie und wird gefördert vom Bayerischen Naturschutzfonds. Also...